Bevor wir uns an die Arbeit machen, sollten wir uns im Klaren drüber sein, welche technischen Ziele wir erreichen wollen. Wir müssen uns aber auch bewußt machen, daß manche dieser Ziele evtl. nicht vollständig erreicht werden können.
Bevor wir lange theoretisieren, bauen wir gleich eine Zeitmaschine, damit wir anschließend die Theorie umso genauer erarbeiten können. Motiviert durch ein frühes Erfolgserlebnis, wird uns die weitere Arbeit leichter fallen.
Man nehme einen geräumigen Karton - vielleicht von einer Waschmaschine - und schneide mit einem scharfen Messer den oberen Teil ab. Eine Seite definieren wir als "vorne". Hier führen wir zwei kurze senkrechte Schnitte und klappen einen Teil nach innen, damit wir unsere Instrumentierung übersichtlich unterbringen können. Wir benötigen dazu zwei Uhren, billige Wecker aus dem Restekaufhaus sind gut genug. Die beiden Uhren werden auf dem "Instrumentenbrett" so angebracht, daß sie gut ablesbar sind. Über die eine Uhr schreiben wir "subjektive Zeit", über die andere "reale Außenzeit". Vor der Zeitreise werden die beiden Uhren synchronisiert.
Ins Innere der Schachtel sollten wir ein, zwei weiche Kissen legen; unerläßlich für das Funktionieren des Mechanismus ist das nicht. Wer in der Schachtel Platz nimmt, kann nun im beschaulichem Tempo in die Zukunft reisen. Ich empfehle bei längeren Reisen die Mitnahme von etwas Proviant.
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Unsere erste Zeitmaschine
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Der Autor bei einem frühen Zeitreiseversuch 1963
Man beachte das Fehlen der Instrumentierung
Da die eben genannte Konstruktion technisch sehr einfach ist, läßt sie einige grundlegende Wünsche offen. Zum Einen ist nur ein Teil der Basisanforderung gelöst, da die Maschine nur Reisen in die Zukunft gestattet. Zum anderen ist die Reisegeschwindigkeit unbefriedigend; da könnte man sich ja gleich die Arbeit sparen und statt des Maschinenbaus auch einen bequemen Sessel kaufen. Ich gebe zu: Ein Sessel tut's auch. Mit einem guten Buch und einem Glas Wein kann die Zeitreise ziemlich viel Spaß machen, aber in diesem Fall ist die Durchquerung der Zeit nur höchst untergeordnet. Ich bin vom Thema abgekommen...
Zu voreilig sollten wir das erste Versuchsmuster nicht in den Schuppen stellen. Wir wollen daraus lernen: Warum ist die Reisegeschwindigkeit unbefriedigend? Und überhaupt: was wollen wir in diesem Zusammenhang unter "Reisegeschwindigkeit" verstehen?
Unversehens geraten wir in Definitionsnot. Man könnte sich vorstellen, einen Reisefaktor zu definieren, so etwas wie "10 Sekunden subjektive Zeit für 1 Stunde reale Zeit". Das ist ganz pragmatisch und scheint als Definition brauchbar:
ts := subjektive Zeit ta := reale Außenzeit R := ts/ta |
Positive Werte stellen offenbar eine Reise in die Zunkunft dar, während negative Werte in die Vergangenheit weisen. Wo wir das "Minus" hinschreiben, vor ts oder ta müssen wir uns noch überlegen. Die Reise mit unserer Prototyp-Maschine erfolgte demnach mit einem Reisefaktor von R=1.
Für Reisen in die Vergangenheit soll ta negativ sein. Begründung: Denn würden wir ts negativ werden lassen, so würden wir uns bei der Reise gegen die Zeit verjüngen. Die nachstehende Fallunterscheidung zeigt, was uns blühte, würden wir mit der negativen Geschwindigkeit reisen:
Reise in die Zukunft und zurück | Wir hätten alle Erlebnisse vergessen, die wir im vergleichbaren Zeitintervall hatten und kommen mit demselben Erkenntnisstand wieder zum Ausgangspunkt zurück. Da wir damit auch unsere Reise vergessen haben, wiederholen wir den Entschluß, in die Zukunft zu reisen. Das können wir solange spielen, bis uns der Treibstoff ausgeht, falls sich der nicht auch wieder bei der Rückreise ansammelt. |
Reise in die Vergangenheit und zurück | Wir vergessen, wie unsere Maschine funktioniert und landen vielleicht als Säugling in der Steinzeit - ohne Chance auf Rückkehr, allerdings auch ohne Wissen um den Verlust der Gegenwart. Die Bezugspersonen aus der Kindheit würden wir allerdings stark vermissen, ohne uns erklären zu können, wie wir an den merkwürigen Ort kamen. |
Nachdem wir hier spinnen dürfen, ist es legitim, den Film "Die Zeitmaschine" von yyy anzusehen. Der Film leht sich an die Vorlage von H.G. Wells an. Am Anfang des Films philosophiert eine Herrenrunde über das Wesen der Zeit und die Reise durch die Zeit. Der Held der Geschichte, der Erfinder der Zeitmaschine, zeigt ein kleines, aber funktionsfähiges Modell, das lebhaft an die Kreuzung eines Hundeschlittens mit einem waagerecht gelegten japanischen Schirm erinnert. Um zu beweisen,daß die Maschine wirklich durch die Zeit reist, wird die Maschine in Betrieb gesetzt, die daraufhin den Blicken entschwindet.
Die Konstanz der Lichgeschwindigkeit und der Energieerhaltungssatz gelten auch für Zeitmaschinen.
Wir haben jetzt ein Problem: Bei unserem angenommenen Reisfaktor von 10 erhalten wir nicht nur die zehnfache Lichtmenge pro Zeiteinheit, sondern die Wellenlänge des Lichtes ist ebenfalls nur noch ein Zehntel. Damit verschiebt sich das gesamte sichtbare Spektrum kräftig ins Ultraviolette, während die Gegenstände der Außenwelt nur noch anhand ihrer nun sichtbaren Wärmestrahlung des Infrarot erkennbar sind. Da die spektrale Verteilung des Sonnenlichtes nicht gleichmäßig ist, erscheint die Welt sicher in sehr seltsamen Farben. Was uns aber weit mehr beunruhigen sollte, ist die Energiemenge, die unser Vehikel und auch wir in unserer subjektiven Zeit bekommen. Wir wollen nämlich weder geröstet werden, noch uns innerhalb von Augenblicken UV-Verbrennungen zuziehen.
Wie wir die reale Außenzeit in den Griff kriegen, ist eine andere Geschichte, aber wir können uns ja Zeit lassen...
Wir streben an, auf derselben Stelle zu verharren, während wir uns in der Zeit bewegen. Das hat ganz pragmatische Gründe. Man stelle sich vor, wir hätten die Maschine in unserer Garage in aller Heimlichkeit fertiggebaut und reisen ein wenig in die Vergangenheit. Malen Sie sich aus, was passieren könnte, wenn wir mit unserer Maschine im Gemüsegarten des spanischen Großinquisitors landeten! Besser, wir bleiben hübsch in unserer Garage und reisen tunlichst nicht zu weit zurück. Aus dem gleichen Grunde sollten wir mit der Zukunft vorsichtig sein. Niemand garantiert uns, daß die Garage nach 100 Jahren immer noch am selbem Fleck ist - im Vertrauen gesagt: ich glaub's nicht.
Die Anforderung, sich örtlich nicht zu verändern, wirft einige Schwieigkeiten auf, die wir näher untersuchen wollen. Holen wir nochmal unsere erste Maschine hervor. Mit ihr war nicht nur ein gemütliches Zeitreisen möglich; sie hatte auch den entscheidenden Vorteil, an derselben Stelle (z.B. unserer Garage) zu verharren. Blieb sie dabei wirklich an derselben Stelle?
Seit Kopernikus setzte sich die Erkenntnis durch, daß sich das Universum nicht um die Erde dreht. Vielmehr dreht sich die Erde um ihre eigene Achse. Zusätzlich läuft sie innerhalb eines Jahres auf einer nahezu elliptischen Bahn um die Sonne.
Betrachten wir einmal nur die Erdrotation. Die Erde rotiert innerhalb von 24 Stunden einmal um sich selbst. Bei einem Erdumfang von (gerundet) 40000km ergibt sich eine Tangential-geschwindigkeit am Äquator von
40000km/24h = 1667km/h |
Wenn wir unser Vorhaben in Mitteleuropa durchführen, müssen wir auf der geographischen Breite von z.B. München von 49° mit folgender Tangentialgeschwindigkeit rechnen:
vt = 1667km/h cos(49°) = 1093km/h |
Warum rutscht bei diesen beträchtlichen Geschwindigkeiten nicht alles von der Erdoberfläche ab? Die Antwort ist einfach: Die Schwerkraft hält uns am Boden der Tatsachen fest - und die Luft rotiert mit der Erde mit. Aus dem Unterschied der Tangentialgeschwindigkeiten an Pol und Äquator ergeben sich Luftströmungen, die für unser Wetter verantwortlich sind. Die Luft "rutscht" offenbar doch ein wenig auf der Erdoberfläche.
Mit allen bisher gesammelten Erkenntnissen wollen wir den Bau einer zweiten Maschine angehen. Sie technisch deutlich aufwendiger.
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Das zweite Versuchsmuster
Reisekomfort und technische Notwendigkeit
Erläuterung zu den Ziffern:
Die Frage des Antriebes ist ungelöst. Die Maschine gestattet deshalb zunächst nur einen Reisefaktor von 1 und ist damit kein nachhaltiger Fortschritt gegenüber der ersten Maschine.
Die wesentliche zusätzliche Kritik rtichtet sich auf den Aufwand. Die Maschine ist eine Kreuzung aus Raumschiff und Auto geworden, weil wir immer vorausgesetzt haben, daß ein betragsmäßig von 0 verschiedener Reisefaktor R vorliegt, den wir innerhalb gewisser Grenzen stetig variieren können. In anderen Worten: Die Reise mit der primitiven Maschine (Versuchsmuster 1) hat uns zur Annahme verführt, daß eine Zeitreise stetig erfolgt. Diese Annahme haben wir nirgendwo in die Sammlung der Arbeitshypothesen aufgenommen.
Bislang gingen wir davon aus, daß eine Zeitreise ein stetiger Prozeß ist. Ähnlich wie beim Autofahren können wir die Geschwindigkeit innerhalb gewisser technischer Grenzen von 0 ab beliebig variieren und über die Richtung der Fahrt entscheiden. Allein die Arbeitshypothese bzgl. Lichtgeschwindigkeit und Energieerhaltungssatz zwingt uns, ein Reiseverfahren zu finden, das uns Sprünge erlaubt, wollen wir nicht bei lebendigem Leib geröstet oder von der Schwerkraft zermalmt werden.
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Stand: 26.11.2002 / |
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