Perpetuum Mobile - Konzepte III

Chemische Perpetua Mobilia

Haben die vorangegangenen Konzepte I und II die physikalischen Perpetua Mobilia behandelt, wenden wir uns hier den chemischen zu. Ein Perpetuum Mobile muß nicht zwangsweise die Merkmale eines rotierenden Rades oder einer elektromagnetischen Einrichtung haben. Gelegentlich finden sich Legenden und Berichte, die Gegenstände schildern, die die typische Eigenschaft erfüllen, die von einem Perpetuum Mobile erwartet wird: sie erzeugen Energie aus dem Nichts. Die ältesten Berichte sind die von den ewigen Lampen. Bestimmte alchimistische Vorschriften und Denkweisen sind der Idee des Perpetuum Mobiles ebenfalls eng verwandt.

Die Alchimie ist nach derzeitigem Wissensstand deutlich älter als die ersten bekannten Perpetuum-Mobile-Entwürfe.

Magnetsteine und Ewige Lampen

Plinius der Ältere (23 oder 24-79) beschrieb in seiner Naturenzyklopädie Historia Naturalis neben vielen anderen Dingen auch den Magnetstein und seine Wirkungen. Für uns ist die Bemerkung über einen Tempel aufschlußreich, in dem in einer Nische ein eisernes Standbild freischwebend von Magnetsteinen gehalten werden sollte - zwar kein Perpetuum Mobile, aber eine physikalische Fragwürdigkeit, die spätestens seit dem schwebenden Magnetkreisel nicht mehr ganz so fragwürdig ist:

"Magnete lapide architectus Timochares Alexandriae Arsinoes templum concamarare incohaverat, ut in eo simulacrum e ferro pendere in aëre videretur. intercessit ipsius mors et Ptolemaei regis, qui id sorori suae iusserat fieri." Lib. XXXIV.148 der Internet-Plinius-Ausgabe
"Der Architekt Timochares hatte begonnen, den Magnetstein zur Konstruktion der Wölbung des Tempels von Arsinoe zu Alexandria zu verwenden, so daß die eiserne Statue, die er enthielt, die Erscheinung bieten sollte, als sei sie sie freischwebend in der Luft, doch das Projekt wurde durch seinen eigenen Tod unterbrochen und dem des Königs Ptolemäus, der diese Arbeit zu Ehren seiner Schwester angeordnet hatte." (Übers. Gramatke)

Interessanter sind Plinius' Ausführungen, daß sich die Wirkung des Magneten durch die Wirkung des Diamanten verstärken oder schwächen lasse. Hier legte er unwissentlich die physikalisch-alchimistische Basis für einige magnetische Perpetuum-Mobile-Entwürfe.

"adamas dissidet cum magnete in tantum, ut iuxta positus ferrum non patiatur abstrahi aut, si admotus magnes adprehenderit, rapiat atque auferat. adamas et venena vincit atque inrita facit et lymphationes abigit metusque vanos expellit a mente." Lib. XXXVII.61 der Internet-Plinius-Ausgabe
"Der 'Adamas' hat einse so starke Abneigung gegen den Magnetstein, daß er, wenn er dicht neben Eisen gelegt wird, verhindert, daß das Eisen angezogen wird. Oder, wenn der Magnet zum Eisen bewegt wird und er es anzieht, dann fängt der 'Adamas' das Eisen und nimmt es fort." (Übers. Gramatke)

Plinus war ein eifriger Wissens-Sammler und Kompilator, doch nicht alles was ihm unterkam, war richtig. Viele seiner Beschreibungen sind nicht zuletzt deswegen so überraschend, weil sie durch ein einfaches Experiment hätten bestätigt oder entkräftet werden können. Wer an Details interessiert ist, der möge sich die Plinius-Ausgabe im Netz nicht entgehen lassen1.

Trithemius (1.2.1462-13.12.1516), der auch in der Geschichte der Kryptologie eine Rolle spielt, beschrieb mehrere ewige Lampen. Bekannt ist die Legende von der Öffnung des Grabes der Tullia, Tochter des Cicero. Es wurde eine Lampe gefunden, die offenbar seit der Beisetzung brannte. Die Legende berichtet, daß die Lampe beim Öffnen des Grabes erlosch und nicht wieder in Betrieb zu setzen war.

Einen guten Überblick zum Thema Ewige Lampen bietet die Website http://www.levity.com/alchemy/everbrn.html.

John Wilkins liefert in seiner Mathematical Magick einen weitgefaßten Überblick über ewige Lampen und Erklärungen ihrer Funktionsweise. Jahrhunderte nach seinen Erscheinen hat dieses Werk nicht an Qualität verloren.

F. Ozanam, ein inzwischen seliggesprochener Theologe, nicht zu verwechseln mit dem Autor der Récréationes mathematiques, widmet dem Thema acht Seiten in einem seinem Werke.

Die erste Frage, die sich stellt, ist: Wieviel von diesen Berichten ist Legende und phantasievolle Ausschmückung, wieviel davon ist Tatsachenbeschreibung? Die zweite Frage ist: Was berechtigt zu der Annahme, daß die aufgefundenen Lampen seit ihrer vermeintlichen Inbetriebnahme ununterbrochen brannten? War bewußte Täuschung möglich?

Es gibt vernünftige Theorien, warum ewige Lampen funktionieren könnten. Durchaus denkbar ist die Vorstellung, daß sich der Hersteller der Lampe, die oft ortsfest montiert war, ein Reservoir natürlichen Gases nutzbar machte. Eine Speisung durch ein brennbares Medium ist plausibel und bei ausreichender Größes des Brennstoffvorrates kann ein sehr langer Betrieb stattfinden. Im Gegensatz zu einem Perpetuum Mobile handelt es sich um eine durchführbare Erfindung, die für menschliche Zeitvorstellungen nahezu ewig arbeitet, allerdings nicht aus eigener Kraft.

Es mangelt an materiellen Nachweisen, denn überliefert wurde keine einzige der angeblich aufgefundenen Lampen. Nüchtern betrachtet, bleiben von den ewigen Lampen nur Legenden, die perpetuierlich wiederholt werden.

 Paracelsus

Philipp Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim (10.11.1493-24.9.1541), besser bekannt unter dem Namen Paracelsus, machte sich bei der seinerzeit etablierten Schulmedizin unbeliebt, da er eine beträchtliche Zahl alter Quacksalbereien anprangerte und die Verwendung chemischer Methoden zur Bereitung von Arzneien einführte. In gewisser Weise kann er als Wegbereiter der heutigen Pharmazie angesehen werden. Dennoch war Paracelsus nicht ausschließlich der moderne Neuerer, wie er von seinen Anhängern gern gesehen wird, sondern der alchimistischen Tradition eng verbunden. Vgl. dazu auch Latz: Die Alchemie S.984-992.
John Wilkins (1614-1672) beschreibt 1648 in seinem hier schon mehrfach erwähnten Werk Mathematical Magick eine chemische Anweisung, die auf Paracelsus zurückgehen soll, zitiert nach Ichak, Das Perpetuum Mobile, S 401:

"Man mische 5 Unzen (alchemistisches Zeichen für Amalgam) mit einem gleichen Gewicht von (Zinn), reibe sie mit 10 Unzen Sublimat zusammen, lasse dies in der Zelle (Retorte?) 4 Tage lang auf einer Marmorplatte sich auflösen, bis es wie Olivenöl wird, destilliere dies über Strohfeuer, bis es zu einer trockenen Substanz wird. Durch Wiederholung dieser Auflösung und Destillation werden mit der Zeit verschiedene kleine Atome sich ablösen, die, wenn sie in ein Glas gebracht werden, eine perpetuierliche Bewegung haben werden."

Einschränkend schreibt Wilkins sogleich: "Dinge, die auf solch gewalttätige Art bewerkstelligt werden, wie diese Ingredentien, haben nicht den Anschein, daß sie nach soviel Veränderungen und Destillationen von Dauer sein könnten, denn je mehr etwas über seine gewöhnliche Natur hinausgestreckt wird, desto weniger kann es andauern. Heftigkeit und Perpetuierlichkeit passen gewiß nicht zueinander." (Ichak, S.40)2. Bliebe zu bemerken, daß sich lt. Ichak in den Schriften des Paracelsus diese Anweisung nicht auffinden läßt, und daß viele Schriften, die ihm zugeschrieben werden, nicht von ihm verfaßt sind. Eine Anfrage beim Paracelsus-Projekt brachte dasselbe Ergebnis. Wieder eine tote Spur.

 Die alchimistische Tradition

Es lohnt sich, einen Blick in die alchimistische Tradition und ihre Arbeitsweise zu werfen. Was suchten die Alchimisten? Die klassische Antwort mag lauten: den Stein der Weisen, auch Lapis genannt. Doch waren die Alchimisten nicht überwiegend betrügerische Goldmacher? Gar so einfach ist die Sache nicht.
Klammern wir die zahlreichen Schwindler aus, die aus Geltungssucht oder Profitgier behaupteten, Gold aus unedlen Metallen erzeugen zu können. Oft genug merkten sie zu spät,daß sie sich auf einen sehr gefährlichen Handel eingelassen hatten, der meist im Labor eines Fürsten, im Kerker oder gar am Galgen enden konnte.
Lassen wir auch die Spinner und Träumer außen vor, die glaubten, mit gekauften alchimistischen Rezepten den Stein der Weisen zu finden und fortan aller materiellen Sorgen enthoben zu sein. Sie wurden leichtgläubige Opfer gerissener "Eingeweihter", die die direkte Methode bevorzugten, um an zu Geld zu kommen. Es ist schwierig zu beurteilen, wieviele der verbleibenden Alchimisten ebenfalls Spinner und Träumer waren, allerdings auf höherem Niveau.

Sebastin Brant (1457-1521) läßt in seinem Narrenschiff die Alchimisten nicht ungeschoren davonkommen:
     Damit ich nicht vergessen hibey,
     Den grossen Bschiss der Alchemey,
     Die macht das Sylber, Golt uffgahn,
     Das vor ist in das Säcklin gtan.

Konzentrieren wir uns auf jene, die in der alchimistischen Tradition ernsthaft ihrem Werk nachgingen. Es ist das Wesen des Geheimnisses um die alchimistischen Arbeiten, daß alle Anweisungen stark verschlüsselt und stilisiert weitergegeben wurden, offenbar um Uneingeweihte von den Geheimnissen fernzuhalten. Die Sprache, in der die Anweisungen abgefaßt sind, läßt zum Teil beträchtliche Interpretationsspielräume bei der Auslegung der Verfahren und den zugehörigen chemischen Reaktionen. Wichtig ist, daß im Gegensatz zur heutigen Denkweise, ein chemisches Ergebnis nicht allein von den technischen Gegebenheiten des Verfahrens abhängig sein sollte, sondern ebenso von den Umständen der Handlung, z.B. Vollmond, und der Geisteshaltung des Adepten. Der Höhe des Zieles mußte eine angemessene Reinheit des Geistes gegenüberstehen. So war die Erzeugung oder Auffindung des Lapis nur ein vordergründiges Ziel, denn mit der alchimistischen Arbeit wurde nicht nur die bearbeitete Substanz, sondern primär der Geist des Alchimisten geläutert. Wer nicht reinen Geistes war, dem gelang das Magnum Opus nicht. Und wer reinen Geistes war, der konnte allen Reichtümern und Verlockungen widerstehen, die der Lapis eröffnete, denn der Adept bedurfte ihrer nicht mehr, da sie keine Bedeutung mehr für ihn hatten. Wir sehen hier eine eindeutig magische Tradition. Neben der materiellen wird die Existenz einer spirituellen Welt vorausgesetzt, die in Einklang sein müssen, um das Ziel zu erreichen. Das Ritual ist unverzichtbarer Bestandteil der Methode.

 Wie arbeitet die Alchimie?

Salomon Trismosins wegen seiner Illustrationen berühmte Werk Splendor Solis gibt einen oberflächlichen Einblick. Als alchimistische Quelle für die Forschung ist es von eher untergeordneter Bedeutung.


Einer der Schritte des Magnum Opus:
Die Phase der Vermehrung - Multiplicatio
Splendor Solis, ca. 1535

In Splendor Solis wird die Darstellung stark linearisiert, doch sind Vorgänge wie die Destillation oder Reinigung (putrefactio) nicht als Einzelschritt zu begreifen, sondern als repetetive und iterative Schritte, um die Unreinheiten der Substanz zu beseitigen. Zugleich geht mit der Geduld, der Beobachtung, der Meditation und dem Gebet, aber auch dem Gebrauch magischer Formeln, die Läuterung des Geistes des Adepten einher. Die äußeren Umstände, wie Tages- oder Nachtzeit oder andere astronomische Gegebenheiten, knüpfen an die astrologische Tradition an, die davon ausgeht, daß der Weg der Gestirne und das Schicksal der Welt und der Menschen miteinander verknüpft sind.

Das Circulatorium: Wiederholung als Verfahren Allegorie als Technologie
Aufschlußreich ist die innerhalb des Verfahrens wiederholte Anwendung chemischer Vorgehensweisen, die z.B. ihren Ausdruck in der Verwendung spezieller Destilliergeräte wie dem Circulatorium fanden. Neben der vordergründigen Verfahrenstechnik, lag hinter dem chemischen Gerät auch eine mythische Deutung, die sich gut am Prinzip der Analogien ablesen läßt. Noch um 1607 erschien in Giovanni Battista della Portas De Destillationibus / Magia Naturalis eine Übersicht über (al)chemische Apparate und ihre Analogien zur belebten Welt.3



Analogien zwischen alchimistischen Geräten und Lebewesen.
Aus Magia Naturalis Der Charakter des Tieres
teilt sich den Substanzen im ähnlichen Gefäß mit.

Athanasius Kircher (1601-1680) schrieb in seiner Magnes sive De Arte Magnetica streckenweise fundiert über magnetische Erscheinungen, Versuche und Spielereien, war aber nicht immun gegen mögliche magnetische Perpetua Mobilia. Unversehens blitzt die Alchimie hervor, als er schreibt, daß die Kraft des Magneten durch die Blätter der isatis sylvatica verstärkt werden könne.
Ähnliche Behauptungen z. B. über Diamanten, die angeblich die Kraft des Magnetsteins schwächen, weist della Porta, weil experimentell nachgeprüft, zurück.
Schreibt man von Kircher, darf sein gelehriger Schüler Caspar Schott (5.2.1608-22.5.1666) nicht unerwähnt bleiben. Schott hatte vielleicht nicht die Kreativität einers Kircher, doch er war ein getreuer Kompilator der Kircherschen Schriften und manchmal auch unkritischer Chronist der physikalischen Fortschritte. In dem Werk Ioco-serium naturae et artis, sive magiae naturalis centuriae tres von 1666 entdeckte ich diese Rezeptur für ein alchemistisches Perpetuum Mobile (S. 139):

PROPOSITIO XXXII.

Mobile perpetuum Alchymisticum

ACcipe amalgamatis (aeris) drachmas v. aut vi. & amal-
gamatis (stanni) tantundem. Tereomnia cum (Mer-
curij) sublimati drachmis x. aut xii. & pone supra marmor in
cella. Intra spatium quatuor horarum fiet instar olei oliva-
rum. Hoc distilla, & in fine daignem fortissimum: tunc sub-
limatur substantia sicca. Aqua distillata vicissim reaffunda-
tur in terrae in fundo alembici residuae: & solve quod solvi potest;
solutum filtra, deinde distilla: & apparebunt Subliffimi atomi;
qui in vitro benè clauso in sicco asserventur: Et ecce mirabilia
videbis.

Ex Secretis Kircherianis, uiappellatur mobile perpetuum.
quod hactenus neque per aquam, neque perignem, aut instru-
menta invenieri potuit. Habeturetiam apud Schvventerum in
delicijs par. 16. quaest. 3. ut tradidimus Mechanica
Hydro-pneumatica par. 2. Classe 2.
Machina 14.

Hier handelt es sich um eine rein chemische Verfahrensanweisung. Der Nachsatz ist interessant, verweist er doch auf Athanasius Kircher, aus dessen "Geheimnissen" sie stamme. Doch langsam! Kommt Ihnen diese Rezeptur bekannt vor? Wenn nicht, dann vergleichen Sie dieses Zitat mit dem vermeintlichen Paracelsus-Rezept, das weiter oben wiedergegeben ist! War es schon so verbreitet, daß es zur "wissenschaftlichen Folklore" gehörte, und niemand mehr fragte, von wem es stammt oder ob es funktioniert? Doch da stünde es ebenbürtig neben den vielen theoretischen Entwürfen mechanischer Perpetua Mobilia, deren Funktion ungeprüft war, aber ebenfalls nur selten bezweifelt wurde.

Wie sinnverwandt die Alchimie und die Suche nach der immerwährenden Bewegung aus Menschenhand sind, kann man an der Bemerkung des Pierre de Maricourt erahnen, der den Magnetstein für nichts anderes hielt, als den Lapis der Alchimisten.

1625 schrieb P. Mögling in seinem Büchlein Perpetuum Mobile, Das ist: Immerwehrende Bewegung (S. 10):

Es ist aber das in aller Welt so wol be=
schreyte / unnd von unzehlichen in vanum
tentierte PERPETVVM MOBILE, neben
dem Lapide Philofophorum, und Qua-
dratura Circuli, das dritte / nach welchem
alle kunstliebende Gemüther Superioris
& huius Fesuli fo eyfferig getrachtet / und
endlichen fast vor unmöglich gehalten haben.

 Robert Fludd

Unter den Alchimisten und Mystikern sollte Robert Fludd de Fluctibus (1574-1637) nicht unerwähnt bleiben. In ihm vereinten sich die alchimistisch-esoterische Komponente und die technische Suche - in beiden Fällen nach einem unerreichbaren Ziel. Von Fludd ist die Beschreibung eines Entwurfes eines Perpetuum Mobiles bekannt. Fludd hat diesen Apparat jedoch nicht selber erdacht, sondern "ein gewisser Italiener". Die oft wiedergegebene Abbildung der archimedischen Schraube (sie findet sich in der physikalischen Rubrik) stammt aus einer späteren Zeit.


Robert Fludds Rezirkulationsmühle
Aus Tractatus secundus de naturae..., S.463, 1618

Ichak meint dazu: "Fludd, der im allgemeinen von der Schöpfung aus nichts überzeugt ist, meint, die Maschine gehe in der Praxis nicht [...] So sträubt er sich hier, er der Alchemist, eine Maschine anzuerkennen, deren Unzulänglichkeit evident ist" (S. 49). Klemm kommentiert Fludds Bestreben, die ewige Bewegung von Menschenhand zu schaffen: "[...] das er skeptisch betrachtet, weil es einen ewigen Kreislauf des Wassers in der Maschine zeigt [...]" (Perpetuum mobile, S.94). Faßt man Fludds Begleittext zu der Maschine zusammen, ergibt sich ein zwar gleichartiges, aber nicht so freundlich formuliertes Urteil: "Zeit und Geld vertan mit von der Zeit geehrtem Plunder" (nach der lat. Version).

 Robert Boyle

Robert Boyle (25.1.1627-30.12.1691) gilt als jemand, der Chemie und Physik ein gutes Stück voranbrachte, die Royal Society kräftig mitfinanzierte und mit beiden Beinen fest auf dem Boden der wissenschaftlichen Arbeitsweise stand. Berühmt wurde er durch sein Werk The Sceptical Chymist (1661). Umso interessanter ist sein Bericht in den Philosophical Transactions, der ein chemisches Schein-Perpetuum Mobile beschreibt. Der folgende Auszug entstammt Ichak, Das Perpetuum Mobile (S. 42 ff., stark gekürzt):

"Ein ausgezeichneter Lehrer der Mathematik [...] stellte [...] ein Gemenge von verschiedenen Ingredienzien in einem irgenen Topfe über glühende Kohlen. Da fing die Mischung Feuer, so daß er sie so hastig wie möglich löschen mußte. Er nahm daß Gefäß vom Feuer und als die Mischung wieder erkaltet war, sah er nach derselben, um zu ermitteln, was von ihr noch übrig geblieben sei. Er war aber nicht wenig erstaunt, als er sah, daß die übriggebliebene Flüssigkeit sich lebhaft bewegte. Er stellte sie noch einmal zur Seite, damit sie völlig erkalte. Als er nach einigen Stunden wieder nachsah, fand er, daß sie wie vorher in Bewegung war. [...] Zwei Tage später, als der Erfinder mit mir [...] sprach, erzählte er auch von dem seltsamen Fall. Als ich ihn fragte, ob die Bewegung noch fortdauerte, antwortete er bejahend, und da wurde meine Neugier so groß, daß [...] ich bat, mir den Topf, wie er war, holen zu lassen. Ich wollte mich einerseits des Vorkommnisses vergewissern und andererseits versuchen, mit denselben Ingredientien, die er mir aufzählte, denselben Erfolg zu erzielen.[...]"

Boyle schildert genau, wie die Substanz im Topf aussah, wie sie sich bewegte und welche Versuche er damit anstellte. Boyle arbeitet systematisch; er prüft, ob die Reaktion unter Luftabschluß fortdauert, er beschreibt Details. Das Experiment endet unbeabsichtigt, als der Topf durch Ungeschick zerbricht und die merkwürdige Substanz versickert. Den wesentlichen Punkt aber läßt er offen: Welche Ausgangstoffe wurden verwendet, in welchem Verhältnis vermengt und behandelt? Und so wird die Frage unbeantwortet bleiben, ob Boyle Zeuge einer oszillierenden chemischen Reaktion war. Kein Zweifel besteht daran, daß er hier nicht an eine immerwährende Bewegung dachte, sondern detailliert beschreibt, daß die Bewegung zwar langdauernd war, aber mit der Zeit schwächer wurde.

Für Interessierte gibt es hier den länglichen Originaltext auf englisch und auf deutsch.

 Methodische Wissenschaft: Ein langer Weg

Die Alchimie verlor seit Galilei und anderen Forschern langsam an Boden. In der Welt des reproduzierbaren Experiments war kein Bedarf mehr für die geistige Läuterung des Experimentators zum Zwecke des erfolgreichen Experimentierens. Newton war in der alchimistischen Tradition verwurzelt, was gerne verschwiegen wird, um seinen Nimbus als Schöpfer der Gravitationstheorie nicht zu gefährden. Newtons Zeitgenossen standen der Fernwirkung der Gravitation, die Newton zur Basis seiner Theorie machte, sehr skeptisch gegenüber - das ganze stank ziemlich stark nach Alchimie.

Ein anonymer Autor (der sich mit L.v.H. abkürzt) veröffentlichte1745 ein Werk Magia Divina oder Grund und deutlicher Unterricht von den furnehmsten caballistischen Kunststücken. Dort liest man folgende Arbeitsanweisung:

"Sehe zu daß du in denen zwölff Nächten nach Weihnachten Dufft von tragbaren Bäumen so viel bekommest, daß es eine halbe oder gantze Maß Wasser gebe. Dieses hebe wohl verwahret auf. Im Martio fange auch von tragbaren Bäumen, oder den Früchten im Feld Nebel Wasser gebe, [...] Hiernach bringe es in zweyten Grad des Feuers, setze einen Helm darauf und destilliere alles bis auf Honig dicken Safft herüber und nicht mehr daß es nicht verbrenne, sonsten wäre alles verdorben. Das überdestillierte rectificiere daß nur eine Maß spirituentes Wasser bleibe [...] Mercke aber nächst diesem daß, wenn du das Glaß immer unbewegt stehen läßt, sich ein Dunst in die Höhe begiebt, welcher einen Schein wie die Sonne von sich geben, und des Nachts wie der Mond und die Sterne leuchten, auch wie diese 2 Lichter in der großen Welt ab= und zunehmen wird. [...]"

(Ichak, S. 47-49, stark gekürzt - zum vollständigen Text)

Erneut sind alle Elemente der alchimistischen Tradition vorzufinden, um eine perpetuierliche chemische Reaktion zu erzeugen. Entscheidend ist hier nach wie vor die magische Komponente, die neben unklaren Begriffen astronomisch-astrologische Rahmenbedingungen als systematische, in ihrer Ausführung (nicht zwangsweise in ihren Resultaten) reproduzierbaren Verfahrensbestandteil enthält.

Selbst der Physiker David Brewster (11.12.1781-10.2.1868) konnte noch 1818 in den Chemical Transactions die Beschreibung eines magnetischen Perpetuum Mobile veröffentlichen, in der er den Mechanismus eines gewissen Schuhmachers Spence vorstellt. Die Maschine bezog ihre Antriebskraft angeblich aus einer nicht näher beschriebenen "schwarzen Substanz", mit der Spence die Wirkung des Magneten beliebig schwächen oder verstärken konnte. Dieses Motiv begegnete uns bei Plinius, Kircher, Porta... und war 1700 Jahre nach Plinius' Tod immer noch aktuell.

 Die alchimistisch-perpetuierliche Illusion

Der Lapis philosophorum wurde nie gefunden oder erzeugt - beweist das schlüssig die Mängel früher chemischer Verfahrenstechnik oder die Nichterreichbarkeit eines geläuterten Geistes? Kurz: der Alchimst befand und befindet sich in der gleichen mißlichen Zwangslage, in der der Perpetuum-Mobile-Erbauer steckt: er "weiß", daß es nur an Kleinigkeiten mangelt, das gesetzte Ziel zu erreichen; er benötigt "nur" noch etwas Geld, etwas Zeit, ein paar Bücher, Spezialzeitschriften, Bauteile, Substanzen. Das Ziel wird beharrlich angestrebt, doch wie die Dinge stehen, wohl nie erreicht. Gelingt das große Werk nicht, so sind äußere Umstände daran schuld, niemals Wissensmängel, Unvermögen und Unbelehrbarkeit des Erfinders.

Diese Option wird heute genauso gern genutzt wie in früheren Jahrhunderten. Nicht nur die Erfinder klassischer Perpetua Mobilia (womit Varianten der traditionellen Entwürfe gemeint sind), sondern auch die Verfechter Der "Freien Energie" und ihrer Nutzung unterscheiden sich in Nichts von den Vorgängern. Bekannt wurde der Fall eines Schweizer Unternehmens, das erfolgreich Geld sammelte und "Raumquantenmotoren" baute, die jedoch das Versuchsstadium nie verließen. Selbst wenn wir seriöse Motive des Unternehmens unterstellten, dann lernen wir: Nicht die eigene Unfähigkeit und Uneinsichtigkeit in die physikalischen Fakten waren letzten Endes Schuld am Scheitern der Idee, sondern die ablehnende Geisteshaltung der traditionellen Wissenschaft - Magie als Begründung für den Mißerfolg.

weiter im Text


Anmerkungen:

1 Herr Prof. Thayer gab mir einige wertvolle Hinweise und freundliche Unterstützung, wofür ihm herzlich gedankt sei.

2 Wilkins' Text zu Paracelsus im Original: "Mix five ounces of (Mercury) with an equal weight of (Tin); grind them together with ten ounces of sublimate; dissolve them in a Cellar upon some marble for the space of four dayes, till they become like oyl-olive; distil this with fire of chaff, or driving fire, and it will sublime into a dry substance: and so, by repeating of these dissolvings and distillings, there will be at length produced divers small atomes which, being put into a glass well luted and kept dry, will have a perpetual motion." (Mathematical Magick, p.228)

3 Wilkins' Bemerkung im Original: "I cannot say any thing from experience against this; but methinks it does not seem very probable, because these things that are forced up to such a vigorousness and activity, as these ingredients seem to be by their frequent sublimatings and distillings, are not likely to be of any duration; the more any thing is stretched beyond its usual nature, the less does it last, violence and perpetuity being no companions." (Mathematical Magick, pp.228-229)

4 Das Thema der Analogien wird uns bei Johannes Kepler wiederbegegnen. Analogien sind ein mächtiges Konzept, doch es bedarf einiger Vorsicht, um sie richtig einzusetzen.


Stand: 27.01.2004 /
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