Ein kurzer Überblick über die Zeitmessung. Ich berücksichtige hier nicht die für die Astronomie wichtige Sternzeit und andere Definitionen, die im täglichen Gebrauch unüblich sind.
Wann wurde sich der Mensch der Zeit bewußt? Vermutlich früh. Die Zeit bestimmt den Lebensrhythmus der Umwelt und damit auch des Frühmenschen. Doch für einen Jäger und Sammler galten andere Zeitbegriffe als für uns. Es gibt sicher eine gute Tageszeit, um erfolgreich zu jagen, aber der Jäger bestimmt diese Zeit aus seiner Erfahrung und seinem Wissen, aus dem Sonnenstand oder den Lichtverhältnissen bei Dämmerung. Für ihn wäre eine Uhr nutzlos, denn die richtige Zeit für seine Aufgabe läßt sich nicht nach Stunden und Minuten angeben. Erst, als der Mensch begann, seßhaft zu werden und Ackerbau zu betreiben, wurde die Notwendigkeit erkannt, sich verläßlich auf den Jahresablauf stützen zu können. Es gibt eine Zeit für die Aussaat, für die Ernte. Doch zunächst mußte erkannt werden, daß der Jahreslauf im Groben betrachtet einen immerwährenden Zyklus darstellt. Es gibt Tage mit einem besonders hohen und solche mit einem besonders tiefen Sonnenstand zur Mittagszeit. Diese zu beobachten und über einen längeren Zeitraum aufzuzeichnen, kann nur von einem festen Standort ausgeführt werden. "Aufzeichnungen" in diesem Sinne sind nicht etwa Schreibmethoden, sie wurden weitaus später erfunden. Aufzeichnungen sind gezielt eingeschlagene Holzpflöcke, die Visierlinien darstellen, Gedächtnisleistungen der Beobachter, die ihre Ergebnisse mündlich weitergeben - kurz, alles, was eine größere Zeitspanne überdauern kann und zur Mehrung des Wissens geeignet ist. Die Holzpfosten konnten durch Markierungssteine ersetzt werden. Damit wurden die ersten Dokumente geschaffen, die aus der Vorgeschichte überdauert haben und Zeugnis von frühen, aber bereits recht genauen Zeitmeßmethoden ablegen.
Zeugnisse, die überdauert haben, sind megalithische Großbauten. Das prominenteste Beispiel dafür sind die Steinkreise von Stonehenge, deren Steine nach Himmelsrichtungen bzw. Sichtlinien zu bestimmten Sonnenauf- und Untergangspunkten ausgerichtet sind.
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Grundriß Stonehenge
Hinweis auf Heelstone
Das irische Ganggrab New Grange ist so ausgerichtet, das der erste Sonnenstrahl des 21. März durch den Gang läuft und das Ende der Grabkammer beleuchtet. Dies zeigt beeindruckend, daß Frühjahrs-Tagundnachtgleichen über einen längeren Zeitraum beobachtet wurden, und daß dieses Wissen beim Bau der Anlage einfloß.
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Grundriß New Grange
Allgemein herrscht heute die Ansicht vor, daß sowohl die Äquinoktien als auch die Solstitien bereits in prähistorischer Zeit bekannt waren.
Die Entwicklung eines Kalendersystems ist an mehrere Faktoren gekoppelt. Der wichtigste ist in allen Kalendersystemen der Tag. Das rechnerische Jahr ist eine Definitionssache, die von unterschiedlichen Annahmen ausgehen kann und folglich unterschiedliche Resultate erzielt.
Weder ein voller Jahreszyklus noch einer des Mondes sind in ganzen Tagen auszudrücken. Genausowenig hat ein Jahr eine ganze Anzahl von Monaten. Die Maßeinheiten sind inkommensurabel, was zwangsweise dazu führt, daß alle Kalendersysteme bei ihren Grundannahmen Kompromisse eingehen und als Folge davon Schalttage bzw. -Jahre einschieben. Ein Kalender kann auf dem Sonnenjahr basieren oder auf dem Mondmonat. Beide Systeme sind heute im Gebrauch. Manche dieser Kalender werden aus unserer westlichen Sichtweise heraus weitgehend ignoriert, obwohl sie in bestimmten Kulturkreisen Bedeutung haben. Die Folge sind parallel-laufende Zeitrechnungen, deren Umrechnung nicht immer leichtfällt.
Sonnenkalender orientieren sich am astronomisch vorgegeben Jahreslauf und stellen eine praktische Basis dar, anhand derer man nicht nur Aussaat und Ernte durchführt, sondern auch jährliche Steuern erheben kann. Wenn etwas den Geist der Priesterschaft und der Herrscher ankurbeln konnte, dann war es die Aussicht auf regelmäßige Einnahmen. Nicht verwunderlich, daß frühe Hochkulturen bereits ein entwickeltes Kalenderwesen hatten und astronomisch-astrologische Wissenschaft betrieben. Antike Resultate sind staunenswert, vor allem wenn bedacht wird, daß sie ohne moderne Meßmethoden und Präzisionsinstrumente gefunden wurden.
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Indische Sternwarte in Djaipur
Mondakalender stützen sich auf den Lauf des Mondes und definieren in der Regel Mond-Monate zu 29 oder 30 Tagen. Das Jahr besteht aus einer festen Anzahl von Monaten und ist damit nicht mit dem Sonnenjahr gleichlaufend. Der Jahresanfang läuft auf diese Art durch alle Jahreszeiten.
Heute noch benutzte, bedeutende Mondkalender sind jüdischer und islamischer Kalender.
Der
Das antike Griechenland orientierte sich ausschließlich am Monatslauf. Dreizehn Monate ergaben ein Jahr, das gegenüber dem Sonnenjahr um yyy Tage zu kurz war. Für Aussaat und Ernte war dieses Kalenderwesen unbrauchbar. Nicht zuletzt wegen der Tatsache, daß Feste der Götter1 rollierend durch das Jahr liefen, wurde ein Kalender eingeführt, der einen Kompromiß aus Mond- und Sonnenkalender darstellte. Bezugsgröße war ein 8-Jahreszeitraum.
yyy
Der alte römische Kalender hatte 12 Monate zu je 30 Tagen und am Jahresende 5 Tage, die keinem Monat zugeordnet waren und den Neujahrsfestivitäten dienten.
Gelegentlich finden Kalenderreformen statt, um aus kultischen, politischen oder weltlich-praktischen Gründen eine Korrektur des Kalenders gegenüber dem realen Stand der Gestirne vorzunehmen. Im westlichen Kulturkreis sind die bedeutsamsten die Einführung des julianischen bzw. des gregorianischen Kalenders.
Der von Julius Cäsar im Jahre 46 v.Chr. reformierte römische Kalender war keine römische Erfindung, sondern ein Importartikel aus Ägypten. Ausgehend von der Überlegung, daß ein Jahr ca.365,25 Tage hat, definiert der Julianische Kalender, daß alle 4 Jahre ein Schaltjahr eingeschoben wird. Dazu wird der Monat Februar von 28 auf 29 Tage verlängert. Dieses System näherte den Kalender besser dem Umlauf der Erde um die Sonne an, hatte aber den Nachteil, daß nun jedes Jahr um 11min xxxsec zu lang war. Diese wenigen Minuten summierten sich im Laufe von ca.120 Jahren zu einem Tag Differenz.
Der Mangel des Julianischen Kalenders war das etwas zu häufige Einschieben von Schaltjahren. Dies führte zum Wunsch, das kirchliche - und damit auch weltliche - Kalenderwesen zu reformieren. Der tiefere Grund lag in der Festlegung des Osterfestes, das laut Definition am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche stattfinden soll.
Bedingt durch die Verschiebung des Frühlingszeitpunktes konnte das Osterfest regelwidrig schon vor dem 21.März stattfinden, was den Kirchenfürsten höchst unerwünscht war. ***Regiomontaus*** Die Problematik war klar und bereits 15xx von Nicolaus von Cues formuliert wurden, mit der Bitte an den Papst, sich der Sache anzunehmen. Es dauerte eine ganze Weile, bis 15xx auf dem Konzil von ccc über das Thema beraten wurde. Und...die Sache wurde vertagt, bis ein vernünftiger Vorschlag für einen reformierten Kalender vorlag. Erst 15xx, im Konzil von ccc, wurde der von xxx vorgeschlagene Kalender angenommen.
Mit der Reform, die im Jahre 1582 schlagartig auf den 5. Oktober den 15. folgen ließ, war die Sache nicht aus der Welt. Denn der neue Kalender wurde bei weitem nicht sofort von allen Völkern des Erdkreises angenommen. Die protestantischen Länder Deutschlands verharrten beim herkömmlichen julianischen Kalenderwesen, und in vielen Ländern fand die Umstellung erst relativ spät statt. Die Verwirrung war damit komplett. Eine kleine Liste zur Verdeutlichung:
Umstellungsdatum | Land | Bemerkungen |
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USA | Englische Kolonie bis 1776, deshalb Kopplung mit dem Kalender der anglikanischen Kirche | |
Frankreich | Während der Jahre 1788-1805 Revolutionskalender, der aber die Schaltjahre in gleicher Weise wie der gregorianische Kalender berücksichtigt. | |
Großbritannien | Die anglikanische Kirche verharrte beim julianischen Kalender | |
5./15.10.1582 | Katholisches Deutschland | Sofortige Annahme des Gregorianischen Kalenders |
Protestantisches Deutschland | Ablehnung des Gregorianischen Kalenders, aber spätere Annahme (1661) aus praktischen Gründen. | |
Italien | ||
1582-1583 | Spanien | Sofortige Annahme des Gregorianischen Kalenders. |
Portugal | Sofortige Annahme des Gregorianischen Kalenders. | |
Norwegen, Schweden, Dänemark | ||
China | ||
1882(?) | Japan | Vom Westen in selbstgewählter Isolation bis zur Meji-Restauration. Annahme des Gregorianischen Kalender aus praktischen Gründen. Zusätzlich parallele Zählung in Amtsjahren des jeweiligen Tenno. |
Südamerika | ||
Afrikanische Länder | Uneinheitliche Annahme des gregorianischen Kalenders abhängig von Kolonial- und Befreiungspolitik. | |
1798 | Graubünden/ Schweiz | Die Gemeinde Süs wurde 1811 mit Waffengewalt zur Annahme des Kalenders gezwungen. |
1913 | Albanien | |
1918 | Rußland | Keine Kalenderreform wegen der russisch-orthodoxen Kirche bis zur Oktoberrevolution. Von 1912-1927 alter Revolutionskalender, von 1931-1942 Stalinistischer Revolutionskalender. |
1918 | Griechenland | Die griechisch-orthodoxe Kirche verharrt beim eigenen Kalender. Für praktische Zwecke Verwendung des gregorianischen Kalenders. |
1926 | Türkei | Änderung des Kalenders im Zuge der Reformen Kemal Atatürks |
Die Umstellung der Zeitrechnung führt zu interessanten Blüten. So wird in den USA z.B. George Washingtons Geburtstag am 22. Februar gefeiert, obwohl er am 11. Februar geboren wurde. Und die Russische Novemberrevolution fand im Oktober statt.
Ein algebraisch hochinteressantes Kalendersystem wurde von den Maya in Mittel- und Südamerika entwickelt.
Maya-Kalender
Beim Sonnenkalender der Maya gibt es eine aufschlußreiche Parallele zum römischen Kalender: Auch die Maya verwendeten aus rein praktischen Gründen ein Jahr, das aus Monaten bestand und am Jahresende 5 Tage hatte, die als "dunkle Zeit" vor dem Neujahresbeginn galten.
Revolutionäre neigen offensichtlich zu radikalem Umstürzlertum. So waren der französischen Revolution die traditionellen Bezeichnungen und Zeiteinteilungen so verhaßt, daß auch die Zeitrechnung umgekrempelt wurde. Die Monate des Jahres wurden anders definiert und umbenannt und der Tag nicht mehr in 24, sondern in 10 Stunden unterteilt. Die Stunde hatte 100 Minuten, die Minute 100 Sekunden. Die dezimale Zeiteinteilung ist so gut oder schlecht wie jede andere, da die Skalierung der Zeitmesser ohnehin nur auf reiner Konvention beruht. Fatalerweise ist der Mensch ein Gewohnheitstier und hatte seine Schwierigkeiten mit der neuen Zeitrechnung. Französische Uhrmacher produzierten folglich Werke, auf deren Zifferblättern die Zeit gemäß alter und neuer Zeitrechnung abgelesen werden konnte. Die Ausstellung des Musée des Arts et Métiers in Paris beherbergt einige schöne Exemplare solcher Revolutionsuhren. Der Dezimalzeitwahn währte 18 Jahre, dann wurde er 1805 unter Napoleon zugunsten der alten Zeitmessung wieder aufgegeben - vermutlich auch aus praktischen Gründen, denn durch die geänderte Zeitrechnung hatte sich Frankreich zusätzliche Schwierigkeiten im Außenhandel und in der Kommunikation mit anderen Nationen eingehandelt.
Monat alt | Monat neu | ||
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Name | Tage | Name | von-bis |
janvier (Januar) | 30 | ||
fevrier (Februar) | 28/29 | ||
mars (März) | 31 | ||
avril (April) | 30 | ||
mai (Maai) | 31 | ||
juin (Juni) | 30 | ||
Juillet (juli) | 31 | thermidor | |
aout (August) | 31 | messidor | |
septembre (September) | 30 | fructidor | |
octobre (Oktober) | 31 | ||
novembre (November) | 30 | ||
décembre (Dezember) | 31 |
Was den französischen Revolutionären recht war, konnte den russischen nur billig sein. Sie erfanden eine neue Wochen- und Arbeitsschicht-Einteilung, die sich vom bisherigen Konzept der Siebentagewoche entfernte. Zunächst wurden 5-Tage-Perioden eingeführt, während derer jeder der Werktätigen seinen individuellen freien Tag zugeteilt bekam. Auf diese Art waren stets 4/5 aller Arbeiter einer Fabrik verfügbar, aber größere Veranstaltungen stießen auf Schwierigkeiten, denn die Chancen standen gut, daß ungefähr ein Fünftel der Teilnehmer nicht verfügbar war. Die radikal neue Einteilung in "Wochen" stellte eine deutlich und bewußte Abwendung von christlichen Kalender dar. 1932 wurde eine Einteilung in 6-Tage-Perioden mit einem festen freien Tag eingeführt...
Planung heißt, den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen - das System bewährte sich blendend, wie alles im Kommunismus so lange, bis es endgültig zusammenbrach. Kurz: 1942 kehrte man wieder zur Siebentagewoche zurück, weil niemand mehr das bisherige Chaos wollte.
Wenn man schon keine Revolution veranstalten will, dann macht man einen Marketing-Gag und erhebt sein eigenes Produkt zum Maß aller Dinge. Konsequenterweise ist damit Biel in der Schweiz Ausgangspunkt (=Nullmeridian) der BMT (Biel Mean Time), die von Swatch-Erfinder Hynek als "Internet Time" propagiert wird. Der Tag wird in 1000 beats. Das war 1789 ähnlich schon mal da. Die BMT soll weltweit gelten, also fort mit den Zeitzonen! Abgesehen von Biel liegen nahezu alle größeren Städte der Welt auf "krummen" Bezugswerten, was die Akzeptanz des Vorschlags kaum fördern dürfte.
Ansätze wie dieser scheitern an ihrer Weltferne. Zum einen gibt es gute Gründe für die Zeitzonen, denn die meisten Leute bevorzugen es, wenn sich die Uhrzeit 12 Uhr ungefähr mit dem Sonnenhöchststand einstellt. Zum anderen gibt es mit der GMT bzw. UTC schon lange ein weltweit einheitliches Zeitmaß, auf das man sich beziehen kann, wie z.B. im Internet üblich.
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Anmerkungen:
1. Es ist aus rituellen Gründen nicht sehr sinnvoll, z.B. Feste und Opfer für einen Frühlingsgott im Herbst stattfinden zu lassen.
Stand: 01.03.2004 / |
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