Magische Quadrate haben seit alters her Interesse geweckt. Nicht nur ihre mathematischen Eigenschaften fielen auf; sie wurden und werden auch zu astrologischen Zwecken genutzt - alles eine Frage des Horizonts.
Definition | Ein magisches Quadrat der Kantenlänge n ist eine
quadratische Anordnung der natürlichen Zahlen von
1 bis n2, die folgende Eigenschaft hat:
Magische Quadrate der Kantenlänge n gelten als gleich, wenn sie durch Drehung oder Spiegelung ineinander übergeführt werden können. |
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Ergänzende Definition |
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Magische Quadrate der Kantenlänge 1 sind ziemlich langweilig, und solche der Kantenlänge 2 nicht konstruierbar. Das kleinste mögliche magische Quadrat hat die Kantenlänge 3.
Für alle echten magischen Quadrate gilt (Beweis trivial, Einsetzen und Nachrechnen!), bedingt durch die Forderung, die Zahlenwerte 1 bis n2 zu verwenden:
Gesamtsumme aller Felder s = | (1 + n2)n2 | = | n2 + n4 |
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2 |
2 |
Die magische Zahl m = s / n = | (1 + n2)n2 | = | n + n3 |
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2n |
2 |
Für magische Quadrate, die aus echten magischen Quadraten entstehen, indem man zu jeder Zelle einen konstanten Wert addiert, gelten diese und die folgenden Formeln nicht.
Bei Endres/Schimmel lesen wir: "Es gibt eine Anekdote über die Entdeckung des ersten magischen Quadrates: Im alten China regierte von 2205 bis 2198 v.Chr. ein gerechter und weiser Herrscher, der Kaiser Yü, der sein Reich mit großer Umsicht verwaltete. Konfuzius berichtet, der Kaiser sei einmal damit beschäftigt gewesen, Dämme zu bauen, um den Überschwemmungen des gelben Flusses Einhalt zu tun. Als er in Gedanken versunken war, erschien ihm die göttliche Schildkröte, die den Namen Hi trug. Auf dem Rücken der Schildkröte war eine Figur gezeichnet, die mit Zahlzeichen versehen war." (Das Mysterium der Zahl S.44)
In heutiger Schreibweise sieht dieses magische Quadrat, das "Lo Shu" mit der Kantenlänge 3 so aus:
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Abgesehen von Drehungen und Spiegelungen ist das Lo Shu das einzige echte magische Quadrat der Kantenlänge 3.
Berühmt ist Albrecht Dürers Holzschnitt Melancholia, der ein magisches Quadrat der Kantenlänge 4 zeigt. Bemerkenswert ist die unterste Zeile des Quadrates: die beiden mittleren Felder enthalten die Zahlen 15 und 14, die zusammen gelesen das Entstehungsjahr des Holzschnittes angeben.
***Bild***
Ausschnitt aus Dürers Melanchonlia
Den Quadraten unterschiedlicher Kantenlängen wurden spezifische Eigenschaften zugeschrieben; nicht zuletzt deshalb wurden Amulette angefertigt, die zur Verstärkung ihrer Wirkung magische Quadrate enthielten. Um 1540 verfertigte Cornelius Agrippa von Nettesheim magische Quadrate der Kantenlängen 3 bis 9 und ordnete ihnen die damals bekannten "Planeten" zu.
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Saturnamulett, Kantenlänge 3. Von Drehung abgesehen, identisch mit dem Lo Shu
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Jupiteramulett, Kantenlänge 4
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Marsamulett, Kantenlänge 5
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Sonnenamulett, Kantenlänge 6
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Venusamulett, Kantenlänge 7
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Merkuramulett, Kantenlänge 8
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Mondamulett, Kantenlänge 9
Benjamin Franklin () befaßte sich in seiner Jugend eingehend mit magischen Quadraten. Im gesetzten Alter kehrte er wieder zu dieser Freizeitbeschäftigung zurück. Franklin veröffentlichte einige Quadrate mit besonderen Eigenschaften. In die Reihe derer, die das Thema beschäftgite, kann Leonhard Euler () gestellt werden. Er erdachte sich Rösselsprung-Folgen auf dem Schaachbrett, die magische Quadrate erzeugen.
Magische Quadrate, deren Kantenlänge eine ungerade Zahl ist, lassen sich konstruktiv am einfachsten anfertigen. Am Beispiel des 5 ´ 5 -Quadrates wird das Konstruktionsverfahren erläutert.
Man geht von einem leeren 5 ´ 5 -Feld aus und setzt an jeder Seite eine dreickige Anordnung von Feldern an. Danach werden systematisch die Zahlenwerte von 1 bis n2, in unserem Beispiel 25, von oben beginnend, in diagonaler Abfolge in die freien Felder geschrieben. Auf diese Weise bleibt jedes zweite Feld ungenutzt.
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Im nächsten Schritt werden die an den Seiten angesetzten Teile auf die jeweils gegenüberliegende Lücke verschoben. Fertig!
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Die ungeraden magischen Quadrate, die nach dieser Methode konstruiert werden, haben zusätzliche Eigenschaften:
Summe zweier harmonischer Felder = n2 + 1
Am Schema eines ungeraden magischen Quadrates lassen sich die restlichen Werte für die vier Eckfelder, das Mittelfeld und die vier, dem Mittelfeld benachbarten Felder angeben:
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Eine andere, ebenfalls einfache Methode, ungerade magische Quadrate zu erzeugen, geht auf xxx LaFrenicle () zurück. Bei dieser Methode wird von dem Schema des Zielquadrates ausgegangen. So wird z.B. ein 5´5-Quadrat konstruiert:
***Bild***
Der Horizont, der die Sicht beschränkt, ist manchmal durch eine ungünstige Darstellungsweise gegeben. Wir können uns überlegen, was passiert, wenn wir die Zellen eines magischen Quadrates nicht im Dezimalsystem beschreiben, sondern im Zahlensystem zu Basis n, wenn n die Kantenlänge des Quadrates darstellt. Die Struktur wird besonders offenbar, wenn die Einträge bei 0 beginnen, statt wie üblich bei 1:
***Bild*** 5x5-Quadrat, konstruiert nach LaFrenicle, dezimal |
***Bild*** 5x5-Quadrat, konstruiert nach LaFrenicle und zur Basis 5 |
Definition | Magische Quadrate, deren Kantenlänge durch 4 teilbar ist, werden als doppelt gerade bezeichnet. |
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Die Konstruktion ist aufwendiger als die der ungeraden. Eine noch heute gängige Methode geht auf de la Hire () zurück.
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Definition | Magische Quadrate, deren Kantenlänge durch 2, aber nicht durch 4 teilbar ist, werden als einfach gerade bezeichnet. |
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Die Konstruktion einfach gerader magischer Quadrate ist relativ aufwendig. Die Strachey-Methode dient zum Erzeugen von magischen Quadraten einfach-gerader Ordnung. Sie ist nach Richard Strachey benannt, der sie 1917 W.W. Rouse Ball mitteilte. Dieser stellte sie in seinem Klassiker Mathematical Recreations der Öffentlichkeit vor.
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Definition | Ein pandiagonales magisches Quadrat der Kantenlänge n ist ein magisches Quadrat, dessen Summen der Zellen in den gebrochenen Diagonalen ebenfalls die magische Zahl m ergeben. Pandiagonale Quadrate werden auch als Teufelsquadrate bezeichnet. |
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Da man sich unter gebrochenen Diagonalen nur schwer etwas vorstellen kann, ist es einfacher, neben das magische Quadrat ein zweites, identisches zu schreiben. Wenn jetzt alle Diagonalen die magische Zahl ergeben, ist das Quadrat pandiagonal.
***Tabelle***
Beispiel
Fertigt man aus einem solchen Quadrat eine "Tapete" an, so ist jedes beliebige 5´5-Quadrat, das aus dieser Tapete ausgewählt wird, magisch.
yyy
Eine Besonderheit stellt die Forderung dar, einen Springer auf dem Schachbrett regelkonform so zu ziehen, daß die fortlaufend numerierten Felder, die betreten werden, ein magisches Quadrat der Kantenlänge 8 ergeben. Das Ausgangsfeld der Zugfolge werhält die Nummer 1. Bereits Leonhard Euler versuchte sich erfolgreich an dieser Aufgabe:
***Tabelle***
Der russische Großmeister xxx gab 19xx folgende Lösung an:
***Tabelle***
Bemerkenswert ist, daß diese Quadrat darüberhinaus noch folgende Eigenschaften aufweist:
aaa
Magische Quadrate können basierend auf einem kleinen magischen Quadrat sukzessive konstruiert werden. Die hier beschriebene Methode hat sich vor allem bei Amateurmathematikern einer gewissen Beliebtheit erfreut.
Das Konstruktionsverfahren liefert überdies Quadrate mit einer interessanten zusätzlichen Eigenschaft. Jedes innere, um die mittlere Zelle (bzw. um das Mittel-Karree) gruppierte Quadrat einer Kantenlänge, die kleiner als die des äußersten Quadrates ist, ist zwangsweise magisch.
Ausgegangen wird von einem magischen Quadrat (gerade oder ungerade) der Kantenlänge n. Darauf basierend wird ein Quadrat der Kantenlänge n+2 konstruiert:
Was an dieser Verfahrensweise bemängelt werden muß, ist der un-algorithmische Ansatz, der den Konstruktionserfolg von einer Versuch-und-Irrtum-Methode abhängig macht. Backtracking ist zwar eine erfolgreiche Strategie, wird aber aus gutem Grund wo immer möglich vermieden. Versuchen wir einen Ansatz, der strengen algorithmischen Kriterien genügt - kurz: programmierbar ist.
Wenn man sich von der strengen Definition der magischen Quadrate entfernt, ergeben sich neue Aufgabenstellungen. Wenn nicht gefordert ist, daß die Einträge in den Zellen des Quadrates aufeinander folgenden ganze Zahlen sind, können andere Bedingungen an die Einträge gestellt werden.
Man sollte versuchen, ein Quadrat mit den bekannten magischen Eigenschaften zu konstruieren, desen Zellen ausschließlich Primzahlen enthalten. Die 1, das sei hervorgehoben, ist keine Primzahl! Dessenungeachtet sind schon um 1910 magische Quadrate angegeben worden, die neben der 1 nur Primzahlen enthalten:
Dudeney, 1908 |
Die Aufgabe ist bereits für ein 3´3-Quadrat nicht einfach zu lösen. Ein Beispiel für ein 3´3-Quadrat ist dieses:
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Die Aufgabestellung läßt sich verschärfen:
Konstruiere ein magisches Quadrat, dessen Zellen
aufeinanderfolgende Primzahlen enthalten. Es dauerte bis 1987,
bis yyy mit Computerhilfe folgendes Quadrat fand:
1480027xx | 1480027xx | 1480027xx |
1480027xx | 1480027xx | 1480027xx |
1480027xx | 1480027xx | 1480027xx |
xx
Durch die Definition ergeben sich, was den strukturellen Aufbau der magischen Quadrate betrifft, starke Beschränkungen. Für die Kantenlängen 3 und 4 lassen sich einfache Formeln angeben, die alle möglichen magischen Quadrate erzeugen. Beachte die Symmetrie in den Formeln bzgl. der Summanden und ihren Vorzeichen!
n = 3 a ³ 5 x y |
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n = 4 |
Formeln dieser Art für Quadrate der Kantenlänge 5 und größer sind mir nicht bekannt.
Wie schon weiter oben erwähnt, wurden (und werden vermutlich noch) magische Quadrate in der Astrologie verwendet. Das Schema dabei ist, ein geeignetes magische Quadrat ausreichender Kantenlänge, z.B. 9 zu wählen und zu allen Zahlenwerten das Geburtsjahr einer Person zu addieren. Das so entstandene magische Quadrat wird einer eingehenden Analyse unterzogen, die aus der Musterbildung markanter Lebensdaten der Person Schlüsse zieht.
Ein Beispiel aus Bischoff's Mystik und Magie der Zahlen sei hier auszugsweise zitiert; Bischoff analysiert die Lebensdaten Napoleons anhand des nachstehenden Quadrates der Kantenlänge 9:
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Das ist das Ausgangsquadrat. Es handelt sich, wie unschwer zu erkennen ist, um das Quadrat des Mondamulettes. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Bischoff: "Napoleon I. war 1769 geboren. Diese Jahreszahl kommt in Feld 1 des Schemas, die übrigen Jahreszahlen in die entsprechenden Schemafelder [...] bemerken wir 4 von links oben nach rechts unten laufende Diagonalen ("Linksdiagonalen"): 1789-1793, 1797-1803, 1805-1813, 1815-1821. Diese Diagonalen entsprechen [...] sehr genau vier Perioden im Leben Napaoleons [...]"(S.123-124) |
In seiner Euphorie findet der Autor eine beträchtliche Zahl von Lebensdaten in geometrischer Anordnung in dem bewußten Quadrat. Was ist davon zu halten?
Wir kennen das Konstruktionsverfahren des magischen Quadrates gut genug, um zu sehen, daß hier aufeinanderfolgende Werte auftreten. Es sollte wenig überraschen, daß sich erfolgreiche Perioden im Leben eines Menschen jeweils über mehrere Jahre erstrecken. Und dies in mehreren Lebensabschnitten, falls der Erfolg dauerhaft ist. Die Häufung der Werte auf Diagonalen ist nicht überraschend.
Neben diesem stellt Bischoff noch einige andere Quadrate vor.
In einem ausführlichen Kapitel über die Wahl des geeigneten Quadrates, abhängig von astrologischen Kriterien wie Geburtstag und -stunde bemerkt der Autor: "[...]durch Probieren festzustellen, in welches magische Quadrat (oder Dreieck) sich die bisher bekannten Hauptereignisse des zu behandelnden Lebenslaufes am sinnvollsten periodisch einreihen lassen [...]" (S.152). Die Verwendung einiger weniger Typen von Quadraten wird mit dem menschlichen Lebensalter begründet - leider übergeht der Autor, daß er damit Kantenlängen wählt, die den klassischen "Lebensabschnitten" entsprechen. Was ergeben sich daraus für Folgerungen?
Bischoffs herausragendes Verständnis arithmetischer Zusammenhänge, die ihn ungemein befähigen, sich mit Zahlenmysterien dieser Art qualifiziert auseinanderzusetzen, wird bereits im Vorwort deutlich: "und ich [...] kenne keine befriedigende Erklärung dafür, warum jede ungerade Zahl (von 3 ab), mit sich selbst multipliziert, stets ein Vielfaches von 8 mit Rest 1 ergibt [...]" (S.8) Wer nicht dumm sterben will, lese den trivialen Beweis.
Folgerung: nüchtern betrachtet, ist die einzige Magie dieser Quadrate ihre mathematische Eigenschaft.
Zum Erzeugen magischer Quadrate beliebiger Kantenlänge ist es ganz praktisch, einen Satz von Berechnungsfunktionen verfügbar zu haben. Eine Prüffunktion, die die Eigenschaften eines vorgegebenen Quadrates prüft und dieses ggf. als "magisch" erkennt, ist ebenfalls nützlich.
Behauptung: | Für jede natürliche Zahl m der Form m = 2n+1,
m Î IN, gilt (m2) mod 8 = 1 |
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Beweis: | Es gilt m = 2n+1. Folglich gilt: m2 =
(2n+1)2 = 4n2+4n+1 = 4n(n+1)+1 Fallunterscheidung.
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Stand: 21.08.2002 / hp@hp-gramatke.de |
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