Geschichte der Elektrostatischen Generatoren

Heute ist jeder mit Elektrizität vertraut. Oder besser: fast jeder verwendet die Elektrizität als praktische, nahezu jederzeit verfügbare saubere Energiequelle. Das ist jedoch das Ergebnis langer Forschungs- und Entwicklungsarbeit, die viele Jahrhunderte dauerte. Die ersten elektrischen Generatoren waren keine elektrodynamischen Maschinen, sondern nutzten elektrostatische Effekte. Lange vor der Erfindung wirtschaftlich brauchbarer elektrodynamischer Maschinen hatten die elektrostatischen Apparate ihren festen Platz in der Wissenschaft.

Bedingt durch ihre Funktionsweise, erzeugen elektrostatische Generatoren stets Gleichspannung. Ob sie positiv oder negativ ist, hängt von den verwendeten Materialien ab. Das Geheimnis der Funktion ist Reibung! Obwohl die meiste mechanische Arbeit, die in eine solche Maschine gesteckt wird, in Wärme umgesetzt wird, dient ein Teil dazu, Ladungsträger zu trennen und auf den Konduktoren der Maschine anzusammeln.

Die Anfänge

Im antiken Griechenland war bekannt, daß Bernstein kleine Gegenstände anzieht, nachdem er mit Tuch oder Fell gerieben wurde. Vom griechischen Begriff für Bernstein, elektron, leitet sich direkt unser moderner Begriff für Elektrik her. William Gilbert (1544-1603) prägte 1600 den Begriff electrica in seinem berühmten Buch De Magnete.

Im alten Griechenland wurden keine Anstrengungen unternommen, das Reiben des Bernsteins zu mechanisieren und einen stärkeren und kontinuierlichen Effekt zu erzielen. Obwohl Lichterscheinungen durch elektrostatische Enladungen im Dunklen beobachtet wurden, erkannte niemand einen Zusammenhang mit dem Blitz, der als Zeus' Waffe angesehen wurde. Das Wissen über statische Elektrizität blieb bis zum Anfang des siebzehnten Jahrhunderts nahezu unverändert auf dem Stand der Antike. Manche Autoren, wie Giovanni Battista della Porta beschreiben den Effekt, ziehen aber keine weiteren Schlüsse.

Die Schwefelkugel

Otto von Guericke (1602-1686), der duch seine Magdeburger Vakkum-Experimente berühmt wurde, erfand einen ersten einfachen elektrostatischen Generator. Er bestand aus einer Schwefelkugel, die in einer hölzernen Halterung gedreht wurde. Durch das Reiben der Kugel mit der Handfläche lud sie sich auf. Die so geladene Schwefelkugel wurde an den Ort getragen, wo experimentiert werden sollte, denn die Leitung der Elektrizität durch metallene Drähte war noch nicht entdeckt.


von Guerickes erster elektrostatischer Generator um 1660

Guericke stellte die Kugel her, indem er geschmolzenen Schwefel in eine hohle Glaskugel goß. Nach dem Erkalten des Schwefels wurde die Glashülle zerbrochen und entfernt. Eines Tages fand jemand heraus, daß die Glaskugel ohne Schwefel den gleichen Dienst leisten konnte.

Eine Gasentladungslampe im Barock

Bis 1730 hatte die Forschung die Grundlagen der Elektrizitätsleitung erarbeitet. Eine Idee, die die Forschung ein gutes Stück voranbrachte, kam aus einem Gebiet, das auf den ersten Blick gar nichts mit der Elektrizität zu tun hat, nämlich dem Quecksilberbarometer, das Evangelista Torricelli erfunden hatte. Wurde die quecksilbergefüllte Röhre geschüttelt, konnten im Dunkeln Lichterscheinungen im evakuierten Teil der Röhre beobachtet werden. William Hauksbee, erfindungsreich und wißbegierig, erfand eine Apparatur, um eine Bernsteinscheibe im Vakuum drehend zu reiben. Enthielt die evakuierte Versuchsanordnung ein wenig Quecksilberdampf, dann leuchtete sie auf. Die erste Gasentladungslampe der Welt war erfunden! Die überlieferten Abbildungen zeigen erstaunliche Ähnlichkeit mit den Blitzkugeln, wie sie heute angeboten werden.


Hauksbees Bernstein-Rotor


Hauksbees Versuchsaufbau, um durch Elektrostatik
bewirkte Lichteffekte zu demostrieren.

 Der Bierglas-Generator

Glas erwies sich als ideales Material für elektrostatische Generatoren. Es war billiger als Schwefel und konnte leicht in Scheiben oder Zylinder geformt werden. Ein gewöhnliches Bierglas wurde zum Rotor in Winklers Maschine.


Ein elektrostatischer Generator von
Johann Heinrich Winkler (1703-1770)

Solche Apparaturen wurden nicht nur für die wissenschaftliche Forschung gebaut, sondern waren auch ein bevorzugtes Spielzeug für gesellschaftliches Amusement. Im achtzehnten Jahrhundert wollte jeder den elektrischen Schock erfahren. Experimente wie der "elektrische Kuss" waren ein beliebtes Salonvergnügen. Obwohl der französiche Abbé Nollet bereits 1745 zeigte, daß kleine Tiere, wie Vögel oder Fische, durch die Entladung einer Leidener Flasche augenblicklich getötet wurden, war sich niemand der Gefahren bewußt, derer er sich durch diese Art von Experimenten aussetzte.


Ein Nervenkitzel besonderer Art: Der elektrische Kuss

Kurz nachdem die elektrischen Entladungen gefunden wurden, fingen Forscher und Scharlatane an, Krankheiten mit Elektroschocks zu behandeln. Hier finden sich Parallelen zu den "Mesmeristen", die vorgaben, die Kräfte des Magneten zur Krankheitsbehandlung erfolgreich einzusetzen.


Behandlung von Zahnschmerzen um 1750
Kranksein war damals kein Vergnügen!

 Die Leidener Flasche

Im Jahre 1745 erfand Ewald Jürgen von Kleist (1700-1748) die Leidener Flasche. Kleist suchte nach einer Methode, elektrische Ladung zu speichern und kam auf den naheliegenden Gedanken, sie in einer Flasche aufzubewahren! Diese Flasche enthielt Wasser oder Quecksilber und wurde auf eine metallene, geerdete, Grundplatte gestellt. Kein Wunder - die Flasche funktionierte, doch nicht, weil sich Elektrizität in Flaschen füllen läßt. Ein Jahr nach Kleist, und unabhängig von ihm, erfand der Physiker Cunnaeus in Leyden (Niederlande) erneut diese Flasche. Der Begriff Leidener Flasche wurde populär, wenngleich sie in Deutschland gelegentlich auch Kleistsche Flasche genannt wird.

Eine intensive Forschungsarbeit begann, um herauszufinden, welche Flüssigkeit sich am besten eignete. Neben Wasser wurden auch Wein, Essig, Quecksilber, frisch gebrühter Tee und andreres in die Untersuchungen mit einbezogen. Ein paar Jahre später war klar, daß auf das Wasser verzichtet werden kann, sondern metallene Beläge innerhalb und außerhalb des Gefäßes ausreichend sind, um elektrische Ladungen zu speichern. Die ersten Kondensatoren waren erfunden.

Frühe Leidener Flaschen Eine weiterentwickelte elektrostatische Batterie um 1795

Oft wurden zur Vervielfachung der gespeicherten Ladung mehrere Leidener Flaschen zu einer Batterie verbunden. Das Experimentieren mit dieser Art von Kondensatoren konnte schon ziemlich gefährlich sein. 1783 kam Prof. Richmann ums Leben, als er eine solche Batterie während eines Gewitters lud und sein Kopf unabsichlich einem Konduktor zu nahe kam. Richmann ist das erste Todesopfer der Hochspannungstechnik. Benjamin Franklin hatte ziemlich viel Glück, daß er nicht diese Ehre errang, als er seine berühmten Drachen-Experimente durchführte.

St. Petersburg, 6. August 1783. Prof. Richman und sein Assistent werden vom Blitz getroffen, während sie gewitterelektrische Versuche machen. Der Assistent entkam nahezu unverletzt, während Richmann auf der Stelle tot war. Die Untersuchung erbrachte: "An seiner Stirne bemerkte man einen roten Fleck, [...] Der linke Schuh war verbrannt und durchlöchert. [...] Man fand die Hirnschale ganz, das Gehirn so gesund als es nur sein kann, den Vorderteil der Lunge gesund, den hinteren von schwarz-brauner Farbe und Blut gefüllt" (Fraunberger, S. 142). Die wissenschaftliche Welt war schockiert.

 Rotierende Scheiben

Generatoren, die auf rotierenden Scheiben basieren, wurden um 1800 von Winter erfunden. Ihr charakteristisches Merkmal ist ein sogenanntes Reibzeug, das aus einem mit Quecksilber bestrichenen Lederkissen besteht. Das Reibzeug bedeckt etwa ein Viertel des Scheibenumfanges und ersetzt die Hand des Experimentators. Die erzielten Wirkungen waren besser und gleichmäßiger als mit der bisherigen Methode. 1799 wurden erste elektrolytische Experimente durchgeführt, wobei elektrostatische Entladungen verwendet wurden. Es stellte sich bald heraus, daß die jüngst erfundenen galvanischen Elemente dieselbe oder sogar bessere Wirkungen hervorbrachten, als Tausende elektrischer Entladungen. Experimente wie dieses halfen, den elektrischen Energiebegriff zu formen.


Ein früher Generator von Winter

 Fortschrittliche Rotor-Maschinen

Experimentierfreudige Erfinder fanden relativ schnell heraus, daß sich die Wirkung der geriebenen Scheibe erheblich verbessern läßt, wenn auf sie Metall- oder Pappsegmente geklebt wurden. Eine recht wirksame Maschine ist die Influenzmaschine von Holtz.


Die sogenannte Influenzmaschine von Holtz, 1865

Die Scheiben solcher Generatoren wurden aus Glas, Schellack oder Ebonit (Hartgummi) angefertigt. Insbesondere Hartgummi erwies sich als geeignetes Material, da es nicht so leicht beschädigt wurde wie Glas oder Schellack.

 Die Wimshurst-Maschine

Wimshurst-Maschinen stellen das Ende einer langen Entwicklungsgeschichte elektrostatischer Generatoren dar. Sie erzeugten sehr gute Ergebnisse und wurden häufig zum Betrieb von Röntgenröhren eingesetzt. Das charakteristische Konstruktionselement dieser Maschinen sind radial laminierte Metallfolien auf paarweise gegenläufig rotierenden Scheiben. Der Vorteil von Scheiben ist, daß mehrere auf einer Achse betrieben werden können, um die Ausbeute zu vervielfachen.


Eine Wimshurst-Maschine um 1905.
Der Endpunkt einer langen Entwicklung.

Die Erfindung des Funkeninduktors durch Ruhmkorff im Jahre 1857 leitete das langsame Ende der elektrostatischen Generatoren ein. Heute dienen beide Typen von Maschinen noch als Laborexperiment oder Demonstrationen; praktische Bedeutung kommt ihnen kaum noch zu. Für technische Anwendungen werden Hochspannungen einfacher mit elektromagnetischen und elektronischen Mitteln erzeugt.


Ein Ruhmkorffscher Funkeninduktor
betreibt eine Röntgen-Röhre (1910)

 Der Van-DeGraaff-Generator

Verwendet man statt einer Scheibe ein endloses isolierendes Band, kann man ebenfalls einen elektrostatischen Generator bauen. Schon früh wurde in der technischen Entwicklung beobachtet, daß Transmissionsriemen unerwünschte Hochspannungserzeuger waren und die Entladungen Personen schädigen oder Gebäude in Brand setzen konnten. Derselbe Effekt entzündete beim Filmtransport innerhalb von Projektoren gelegentlich den brandgefährlichen Zelluloidfilm, und mehr als ein Kino fiel einem solcherart entstandenen Feuer zum Opfer.


Ein 5 Megavolt Van-deGraaff -Generator

Der Physiker Van deGraaff setzte 1930 diesen wohlbekannten Effekt in einen Höchstpannungsgenerator um. Diese Maschinen können mit einer zusätzlichen Gleichspannungsquelle betrieben werden, um die Endspannung erheblich zu steigern. Van-deGraaff-Generatoren sind heute noch in Teilchenbeschleunigern im Einsatz. Die leistungsfähigsten Generatoren erzeugen bis zu 10MV Spannung.

 Die Dampf-Elektrisiermaschine

Nasser Dampf, der durch eine Düse tritt, erzeugt elektrische Ladung. Diese Beobachtung führte zur Konstruktion der Dampf-Elektrisiermaschine. Obwohl diese Maschinen gute Resultate zeitigten, war ihre Handhabung und Wartung aufwendig. Zudem waren sie teuer und so wurden nur wenige gebaut und haben gelegentlich in technischen Museen überlebt.


Eine Dampf-Elektrisiermaschine

 Zum Abschluß

Elektrostatische Generatoren haben ihren berechtigten Platz in der Geschichte der Wissenschaft. Dennoch: Ihr Wirkungsgrad ist gering, verglichen mit dem mechanischen Aufwand, der benötigt wird, um sie zu betreiben. In diesem Zusammenhang warne ich eindringlich alle Möchtegern-Perpetuum-Mobile Erfinder und andere experimentierfreudige Menschen, solche Maschinen zu bauen oder leichtfertig handzuhaben. Solche Geräte sind kein Spielzeug und selbst kleine elektrostatische Maschinen können bei sorgloser Bedienung höchst gefährlich sein. Als Faustregel kann gelten, daß eine Leidener Flasche von 1/2 Liter Inhalt lebensgefährlich sein kann.


Stand: 02.01.2004 /
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